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KIMMICH Dorothee u. SCHAHADAT Schamma (Hg.): Essen. Zeitschrift für Kulturwissenschaften 1/2012

Lothar KOLMER.   

Das Essen wird hier aus diversen, weitgespannten Perspektiven betrachtet. Es geht um das diskursive Feld im Kontext von Semiotik und Verhaltenspoetik, die Perspektive der Vergänglichkeit in der Kunst, die Philosophie des Anderen, Gastrosophie, globalisierte Nahrung, Massenkonsum im Berlin der 1920iger Jahre, Essen in Kriminalromanen und in der sonstigen Literatur, einschließlich der Analyse, spezifischer Beiträge oder auch im Film. In der Einleitung werden zudem noch spezifische Ansätze etwa der Gender-Perspektive angesprochen, es wird auf die großen Theoretiker wie Roland Barthes eingegangen, der eine sprachphilosophische Erklärung für ein kulturtheoretisches Problem liefert.

Zu Essen und Tabu wird gesagt, wenn das Essen „alltäglich" sei, sei es „dem Profanen zugeordnet, so gehöre das Nahrungstabu in den Bereich des Heiligen und in den Bereich des Unreinen". Rituale um das Heilige und das Profane, ebenso wie Tabus sind spätestens seit Emile Durkheim als Teil des Sozialen interpretiert worden. Mary Douglas z.B. setzt eine soziologische Erklärung für das Tabu. Schamma Schahadat, geht auf Claude Levi-Strauss ein und sein „Essen ist gut zu denken", danach zu Roland Barth über, um mit Norbert Elias und Georg Simmel zu schließen. Es werden jeweils Umrisse der jeweiligen Anschauung dargelegt. Harald Lemke, Zur Metaphysik des einverleibten Anderen sagt „wenn wir essen, werden wir eins mit dem Einverleibten. Wir sind in einem realen physischen, aber an sich unverstandenen metaphysischen Sinne nichts anderes als einverleibtes Anderes".

Weitere Beiträge behandeln die Esskultur türkischer Immigranten, wo deutlich wird, dass „mit Mitteln des Regionalismus in der Küche, mit der drohenden Entfremdung" eine Art folkloristische „Luftwurzel" als Identifikationsmittel entgegengesetzt wird. Kikuko Kashiwagi, geht auf Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz ein. Julika Griem behandelt das Essen in der Kriminalliteratur, die „wie wenig andere Gattungen sich in der Lage (zeigt) durch permanente Ausdifferenzierung auf die Lebenswelten von Lesern zu reagieren. "Anja-Simone Michalski liest Brigitte Kronauers „Errötenden Mörder" und kommt zum Ergebnis, dass „die Poetologie..., das Alltägliche ‚Essen' als Dreidimensionales Zeichen erscheinen (lässt) das im Lauf des Textes perspektivisch angereichert und in all seine Assoziationsmöglichkeiten aufgefächert wird. Gwendolyn Whittaker analysiert Jonathan Foers, Rhetorik des Fleischverzichts; stellt sie als „journalistisch- investigativen Anspruch gegenüber einer mächtigen Industrie und ihrer Lobbyisten". Foers erhebe einen narrativen Anspruch und stelle ihn sehr deutlich aus. Das Buch wird mit einer Diskussion über Neuro-Enhancement beschlossen, also der Verbesserung der mentalen Eigenschaften der Menschen durch Medikamente. Erwartungsgemäß gehen hier die Positionen durchaus auseinander.

Insgesamt wird ein breites Spektrum von Themen, überwiegend im medialen Bereich, in Film und Literatur behandelt. Je nach Interesse kann man sich die lesenswerten Beiträge heraussuchen.

Rez_Essen (31k)

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KIMMICH Dorothee u. SCHAHADAT Schamma (Hg.): Essen. Zeitschrift für Kulturwissenschaften 1/2012