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Online-Glossar & Rezeptdatenbank. EDV-Unterstützung und Kollaboration in der historischen Rezeptforschung

Marlene ERNST.   

Web 2.0 ist das Stichwort unter das die Initiativen des Zentrums für Gastrosophie fallen. Gemeinsames Arbeiten und Softwareunterstützung sollen die Forschung vorantreiben.

Jeder, der schon einmal alte Texte bearbeitet hat weiß, wie viel Arbeit in einer Edition von solchen steckt. Transkriptionen sind erst der erste, wenngleich wohl der wichtigste Schritt dabei. Zusätzlich darf man natürlich die oftmals mühevolle und wenig befriedigende Archivarbeit nicht vergessen. Behandelt man Kochbuchhandschriften, so stellt sich diese zudem öfter schwieriger als erwartet dar - oftmals sind nur sehr wenige Hintergrundinformationen zu den Handschriften zu finden. Nach der Transkription kommt ein weiterer essentieller Bestandteil einer jeden Edition an die Reihe - unklare und veraltete Wörter müssen der Leserschaft erklärt werden. Bei den Rezepttexten aus vergangenen Zeiten handelt es sich dabei vielfach um heute vergessene Bezeichnungen für Zutaten und Zubereitungsarten oder um dialektale Ausdrücke derselben. Nicht jeder wird an eine durchlöcherte Schöpfkelle zum Entfernen von Schaum bei Flüssigkeiten denken, wenn er oder sie von einem Faumlöffel liest.(1) Oder sieben mit fähen gleichsetzen.(2) Eine Glossarerstellung dieser Begriffe wird somit unumgänglich, um die Texte und Rezepte auch einem nicht eingelesenen und fachkundigen Publikum zugänglich zu machen. Eine Zusammenarbeit bei der Erstellung eines Glossars wiederkehrender Begriffe kann helfen, Zeit und Arbeit zu sparen.

Will man nach der grundlegenden editorischen Arbeit Auswertungen der Rezepttexte vornehmen, so mangelt es oftmals an Vergleichsdaten. Hierbei kann eine Datenbank der historischen Rezepte Abhilfe schaffen. Doch kehren wir zunächst noch einmal zum Glossar und der Kollaborationsplattform zum Verfassen eines solchen, die am Zentrum für Gastrosophie entwickelt wurde, zurück.

 

Gastrosophisches Online-Glossar

Da viele der Begriffe nicht nur in einer der Handschriften vorkommen, sondern mehrfach benötigt werden, bietet sich die Etablierung einer Kollaborationsplattform geradezu an. Sie soll es ermöglichen, dass die Editoren ihre Begriffsdefinitionen online ohne großen Aufwand recherchieren können. Ist eine Begriffserklärung noch nicht vorhanden, so soll es jedem Benutzer möglich sein, die Definition zu ergänzen und den anderen Usern somit zur Verfügung zu stellen. Die Anforderungen an ein solches System waren zu Beginn in erster Linie eine gut funktionierende Volltext-Suchfunktion sowie eine Möglichkeit zur Verlinkung der Einträge. Dies kann am einfachsten mittels eines Wiki realisiert werden. Es galt also nur noch die passende Software bzw. den passenden Wiki-Engine zu finden. Das erste, was einem dazu einfällt ist natürlich das bekannteste Wiki - Wikipedia - und der zugrunde liegende Engine MediaWiki. Dieser ist allerdings für sehr große Datenmengen ausgelegt, die für das Glossar wohl nie erreicht werden. Nach einem genaueren Vergleich der diversen Wiki-Engines(3) fiel die Wahl schlussendlich auf DokuWiki(4). Die Vorteile bei diesem System liegen in der einfachen Zugangsverwaltung, Erweiterbarkeit durch diverse Plugins, der Verwendung eines benutzerspezifischen Berechtigungsmodells (ACL) und dass keine Datenbank im Hintergrund zum Abspeichern der Informationen benötigt wird (die Ablage erfolgt in Textfiles). Nachdem diese Wahl getroffen war, konnte mit der eigentlichen Erstellung des Glossars begonnen werden.

 

Bereits von Anfang an wurde geplant, zu den historischen Begriffsdefinitionen auch eine moderne Bedeutung bei jedem der Einträge im Glossar hinzuzufügen. Sie soll es ermöglichen die Informationen ganzheitlicher zu nutzen. Während des ersten Workshops zur historischen Rezeptforschung im Jahr 2011 wurden zu den bisherigen Ergebnissen Expertenrückmeldungen eingeholt. Als Ergebnis kam es zu einer Überarbeitung und Ergänzung dieser ersten, zweigeteilten Struktur der Glossareinträge. Das aktuelle Schema beinhaltet nun zunächst eine Kurzdefinition des Begriffs, die auch in der Inhaltsübersicht aufscheint. Danach folgt eine Liste möglicher Schreib- und Sprachvariationen. Durch die Volltextsuche wird es ermöglicht ohne die Erstellung eigener Begriffe für die unterschiedlichen Schreibweisen, die zur Doppelung der Definitionseinträge und Redundanz führen würde, die passenden Definitionen zu finden. In der Struktur folgt als nächstes der wohl wichtigste Teil - die historische Bedeutung inklusive aller Belegstellen. Es wird somit möglich nachzuvollziehen, in welchen Texten der Begriff Verwendung findet. Danach wird die moderne Definition, so wie sie etwa in aktuellen Küchenlexika vorkommt, aufgelistet. Falls ähnliche oder damit in Verbindung stehende Begriffe in dem Glossar vorhanden sind, soll ein optionaler letzter Punkt („siehe auch verwandte Begriffe") es ermöglichen, mittels Links auf diese zu verweisen.

Damit wird auch schon ein zentraler Punkt in der Glossarerstellung mittels eines Wiki-Engines angesprochen - die Verlinkung. Innerhalb der Glossareinträge soll vor allem auf die Quellen für die Definitionen verwiesen werden, um später alles nachvollziehen zu können. Da es nicht erwünscht ist, immer wieder die gesamten bibliographischen Angaben zu den Kochbüchern anzuführen, ist ein kurzer Verweis inklusive Link auf eine eigene Seite der bibliographischen Daten hier die Lösung. Aufgrund dieses Ansatzes gibt es neben dem eigentlichen Glossar in unserer Wiki auch einen eigenen Bereich für die Bibliographie der bearbeiteten Kochbücher sowie der verwendeten Quellen bei der Ausarbeitung der historischen und modernen Bedeutungen. Falls vorhanden, beinhalten diese auch immer einen Link auf eine online-zugängliche Volltextversion, was die Recherche noch nicht im Glossar enthaltener Begriffe erleichtern soll.

 

Nach derzeitigem Arbeitsstand bei der Online-Glossarerstellung ist das System nach den oben genannten Parametern aufgesetzt und bereits mit einigen Beispieldaten befüllt. Nun ist es Zeit für die Editoren, ihre gesammelten Daten in das Online-Glossar einzutragen. Begonnen wurde bereits mit der Erstellung des Glossars für das Ursulinenkochbuch(5), für das wohl die meiste Arbeit anfallen wird, sind doch noch kaum Einträge vorhanden, auf die zurückgegriffen werden kann. Die Editoren der darauf folgenden Kochbuchhandschriften werden sich mit weniger Aufwand konfrontiert sehen, da bei vielen Begriffen nur noch Ergänzungen an Schreib- und Sprachvariationen vorgenommen werden müssen. Sie können auf die bereits geleistete Vorarbeit bei der Definitionsfindung zurückgreifen. Der Nutzen des Online-Glossars wird sich somit bald weisen.

 

Ist eine Edition samt dem Glossar erstellt, ergibt sich auch die Frage nach einer möglichen (computerunterstützten) optimierten Analyse und Auswertung der Ergebnisse. Am Zentrum für Gastrosophie wird diesbezüglich an einer Datenbank für die Rezepte aus den Kochbuchhandschriften gearbeitet.

 

Rezeptdatenbank

Mehrfach hat sich die Frage nach einer Vereinfachung der Auswertung der Kochbuchhandschriften gestellt. Insbesondere ein (halb-)automatisierter Vergleich der Rezepte war gewünscht. Dies soll Rückschlüsse auf den zeitlichen und örtlichen Ursprung der Texte ermöglichen sowie Abschriften und Abwandlungen innerhalb ähnlicher Rezepte erkennen lassen. Wann wurde das Gericht erstmals gekocht? Wie sieht das ursprüngliche Rezept aus? Von welchem Kochbuch wurde das Rezept abgeschrieben? Wurde es dabei verändert? Dies alles sind Fragen, die durch den Rezeptvergleich geklärt werden können. Aus diesem Grund wurde mit der Erstellung einer Datenbank zur Rezeptsammlung und dem Vergleich begonnen.

Realisiert wurde die Rezeptdatenbank in der Programmiersprache PHP mit einer relationalen MySQL-Datenbank im Hintergrund. Die Benutzeroberfläche bietet zurzeit die Möglichkeit neue Rezepte einzugeben, sich alle vorhandenen Datensätze anzeigen zu lassen sowie eine Seite für den bereits angesprochenen Hauptpunkt der Datenbank - den Rezeptvergleich.

 

Bevor es zum Vergleich kommt, gilt es allerdings zunächst die Datenbank mit Rezepten zu befüllen. Das dazugehörige Formular für die Benutzereingabe ist zweigeteilt. In einem ersten Schritt werden allgemeine Angaben zum Rezept gemacht: Aus welchem Kochbuch stammt es? Wie ist der Name des Rezepts? Gibt es eine Seiten- bzw. Rezeptnummerierung in dem Kochbuch, so soll auch diese eingetragen werden, um später ein leichteres Wiederauffinden in der Originalquelle zu ermöglichen. Ein großes Textfeld bietet die Möglichkeit das transkribierte Rezept zu übertragen. Da allerdings beim späteren Vergleich der Textteile die Schreibweise eine große Rolle spielt, sollte dies bei der Eingabe berücksichtigt und nicht nur der transkribierte Text in die Datenbank kopiert werden. Es hat sich gezeigt, dass eine zusätzliche Übertragung des Rezepttitels in modernes Deutsch sowie eine Verstichwortung des Rezeptinhalts gute Ergebnisse beim Textvergleich erzielen.

Der zweite Teil der Rezepteingabe sieht eine Kategorisierung vor, die den späteren Vergleich der Rezepte vereinfachen bzw. bessere Ergebnisse liefern soll. Sie hat sich allerdings als besonders diffizil herausgestellt. Wie sehr soll man dabei in die Tiefe gehen? Reichen grobe Überbegriffe wie z.B. Gemüse als Hauptzutat aus, oder soll man jede nur erdenkliche Zutat - also alle Gemüsearten von Artischocke bis Zucchini - anführen? Ab wann wird es zu viel des Guten? Als vorläufige Lösung wurde ein dreigliedriges Kategorisierungsschema entwickelt.

Als erster Teil der Rezeptkategorisierung soll eine Überkategorie, wie etwa Suppe oder Fleischgericht, angegeben werden. Je nachdem welche an dieser Stelle gewählt wird, stehen anschließend unterschiedliche, zu der Überkategorie passende Zubereitungsarten zur Verfügung. Bleiben wir beim Beispiel Suppe als Kategorie, so kann zwischen klarer Suppe, gebundener Suppe, Suppe mit Einlage oder Cremesuppe gewählt werden. Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht der vorläufigen Einteilung der Kategorisierung in Speisekategorie und den dazugehörigen Zubereitungsarten.

Suppe

Fleisch

Fisch

Gemüse

Beilage

Pastete

Gebäck & Brot

Mehl-speisen &
Dessert

Kuchen & Torte

Getränk

Klare Suppe

Gebraten

Gebraten

Gebraten

Sauce

Fleisch-pastete

Germteig

Eis

Blech-kuchen

Tee

Geb. Suppe

Schmor-gericht

Gedünstet

Gedünstet

Sättigungs-beilage

Fisch-pastete

Sauerteig

Creme

Creme-torte

Kaffee

Suppe mit Einlage

Faschiert

Gebacken

Gebacken

 

Süße Pastete

Form-gebäck

Auf Teigbasis

 

Alkohol

Creme-suppe

Eintopf

 

Püriert

   

Süßes Gebäck

    Anti-alkohol. Getränk
 

 

Als letzter Schritt der Kategorisierung, gilt es noch beliebig viele Zutaten aus einer Liste dem Rezept zuzuordnen und so die eigentlichen Bestandteile des Gerichts anzugeben. Bleiben wir beim obigen Beispiel, so können wir etwa Wein, Wasser, Mehl und Gewürze als Hauptzutaten angeben und zusammen mit der restlichen Kategorisierung erhalten wir eine gebundene Weinsuppe.

Ein zusätzlicher Kategorisierungspunkt ermöglicht noch die Zuordnung des Rezepts zu einer Küchenart (Hofküche, Klosterküche, Bürgerliche Küche). Dieser Teil findet allerdings noch keine Verwendung in der Auswertung bzw. beim Rezeptvergleich. Es ist jedoch vorgesehen in einem nächsten Schritt eine eigene Suchfunktion zu integrieren, in der diese Verwendungsart auch berücksichtigt wird um beispielsweise nach Gerichten aus der Hofküche suchen zu können.

 

Für den Vergleich der Rezepte kann zu Beginn zwischen drei verschiedene Varianten ausgewählt werden - einem reinen Textvergleich, Vergleich der Kategorisierung oder dem alleinigen Vergleich der Zutaten. Je nach persönlicher Fragestellung hat man so die Möglichkeit sich die Parameter selbst zu bestimmen. Wie durch den Namen schon darauf hingewiesen wird, so kommt es beim Textvergleich zu einer Gegenüberstellung der Rezepttitel und der Eingaben im Beschreibungs-Textfeld. Ein Ergebnis wird somit dann erzielt, wenn der eingegebene Text als Teil des Titels oder Beschreibungstextes in einem der Rezepte der Datenbank vorkommt. Bei einem Kategorisierungsvergleich werden Rezepte ausgegeben sobald einer der beiden folgenden Fälle zutrifft: Wenn die Zubereitungsart und mindestens zwei der angekreuzten Hauptzutaten übereinstimmen oder wenn die Kategorie und alle angegebenen Hauptzutaten gleich sind. Die letzte der drei Vergleichsarten liefert Ergebnisse, wenn alle der für den Vergleich angekreuzten Hauptzutaten in dem Rezept in der Datenbank vorkommen.

Die Abfrage funktioniert dabei in der Art, dass man die entsprechenden Daten in einem Formular angibt. Alternativ ist es möglich - falls das Rezept schon in der Datenbank vorhanden ist - einen Datensatz aus einer Liste der vorhandenen Datensätze auszuwählen. Die Ergebnisse aus dem Vergleich werden danach in einer Übersichtsliste angezeigt. Dem Benutzer bleibt am Ende nur noch die Aufgabe, diese Liste durchzusehen und auszuwerten.

 

Ausblick

In der bisherigen Praxis beider Systeme hat sich gezeigt, dass die erste Eingabe von Daten mehr Zeit als erwartet in Anspruch nimmt.(6) Die Zukunftserwartungen sind jedoch durchweg positiv - ist einmal der erste Schritt getan bzw. die erste Edition samt Glossar fertiggestellt, so sollte es für die kommenden Arbeiten immer leichter werden. Der einmalige hohe Arbeitsaufwand wird sich mit den nächsten Editionen sicherlich auszahlen. Ähnliches wird sich auch für die Rezeptdatenbank bewahrheiten, wenngleich in einer etwas abgewandelten Form. Die Eingabe und Kategorisierung der einzelnen Rezepte bleibt einem nicht erspart. Es gilt allerdings die Divise: Je mehr Rezepte eingegeben werden, desto bessere und aussagekräftigere Vergleichsergebnisse werden erzielt. Die Erwartungen für beide implementierten Systeme sind auf jeden Fall hoch.

 

Zum Abschluss noch ein Hinweis zu unseren Online-Aktivitäten: Sowohl das Glossar als auch die Rezeptdatenbank befinden sich noch im Aufbau und sind aus diesem Grund nur für ProjektmitarbeiterInnen zugänglich. Zur Unterstützung der gastrosophischen Literaturrecherche bietet das Zentrum für Gastrosophie jedoch eine für jedermann frei zugängliche Literaturdatenbank mit knapp 10.000 Titeln an. Die Arbeit an den Editionen von Kochbuchhandschriften mittels elektronischer Unterstützung kann somit munter fortgesetzt werden!

 

Literatur & Links:

DokuWiki (https://www.dokuwiki.org/ 30.11.2012)

GRIMM Jacob u. Wilhelm: Deutsches Wörterbuch. Leipzig 1854-1960         
(germazope.uni-trier.de:8080/Projekte/DWB 30.11.2012)

KRÜNITZ Johann Georg: OekonomischeEncyklopädie, oder allgemeines System der Staats- Stadt- Haus- u. Landwirthschaft. Berlin 1773-1858 (http://www.kruenitz1.uni-trier.de/ 30.11.2012)

WikiMatrix (http://www.wikimatrix.org/ 30.11.2012)

 

Glossar_RezeptDB (63k)

Quellen, Anmerkungen

  1. Vgl. Krünitz, OekonomischeEncyklopädie, 80/133 u. 36/749.  
  2. Vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Band III Sp. 1238.  
  3. Ein Vergleich der verschiedenen Engines ist über die WikiMatrix-Seite möglich. Siehe http://www.wikimatrix.org/ (30.11.2012).  
  4. Genauere Informationen zu diesem Wiki-Engine findet man unter https://www.dokuwiki.org/ (30.11.2012).  
  5. Siehe auch Beitrag von Barbara Morino in dieser EPIKUR-Ausgabe.  
  6. Siehe auch Beitrag von Martina Rauchenzauner in dieser EPIKUR-Ausgabe.  
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