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So steht es geschrieben… Mahlzeit…

Carola KÜHNL.   

In dem Lokal bei mir gleich um die Ecke sitze ich erneut wie blöd vor der Speisekarte: Was für eine Verarsche ist das eigentlich hier? Der Gedanke war nicht das erste Mal, aber das erste Mal ganz groß und klar in meinem Kopf. Die Gerichte auf der Karte haben mit den Dingen, die auf den Tellern liegen, nur wenig gemeinsam. Plötzlich fallen mir die vielen Enttäuschungen wieder ein, die leeren Versprechungen, die entgangenen Gaumenfreuden... Oooh, ich wahrer Betrüger meines Geistes...

Meine Augen lesen von einer herzhaften Kartoffelsuppe nach Großmutters Art. Mein Herz haftete viel zu lange an dieser Formulierung und meine Seele schwelgte stets in melancholischer Erinnerung an Omas alten Holzofen, auf dem im angeschlagenen Kochtopf die gute Brühe schwamm. Alles darin war echt und natürlich gewachsen und kam durch fleißige Hände dort hinein. Die Kartoffeln, die Zwiebeln, die Karotten, der Schnittlauch... Die Suppe auf der Karte hat mit meinen Erinnerungen nur dahingehend was gemeinsam, dass das „Covergirl" auf dem Suppenpackerl meiner Oma ähnelt. Sie trug in jungen Jahren das Haar ähnlich kurz. Heute würde sie sich mit Ihrem Schopf im Grabe umdrehen, wenn sie wüsste, wie ihr Handwerk verstanden wird.

Zum Weinen ist mir auch, wenn ich die Aufzählungen der allesamt frischen Blattsalate der Saison durchgehe. Die Frische machen meine Tränen auf den abgerupften Salatblättern aus, denn der abgepackte Salat hat nach dem Öffnen noch kein Wässerchen getrübt. Meine Zungennerven schmecken noch deutlich den unverfälschten Geschmack von Plastik und leichtem Erdöl. Und was hat überhaupt Saison? Wann? Und in welcher Region? Alles und immer und überall... Dass Kopfsalat eine Frühjahrskost ist, in Bayern zumindest, wissen die wenigsten, und fordern noch in der gleichen Jahreszeit Chicorée von der Natur. Die kann den zwar hervorbringen, aber nur mittels künstlicher Befruchtung. Ganz frisch sind wir doch alle nicht mehr.

Für den kleinen Hunger zwischendurch verspricht die Speisekarte leichte Sandwiches. Mit leicht ist zum einen das Brot gemeint, das luftig ist wie Watte und auch genau so schmeckt. Und zum anderen unter anderem das zarte Fleisch der Hähnchenbrust. Würde man mit Klebefleisch werben, wäre man wenigstens ehrlich. Die Leichtigkeit ist aber nach wie vor gegeben, denn Pattex wiegt ja fast nix. Zum Strahlen bringen mich die Pfifferlinge unter der Rubrik Hausmannskost. Schnell in der Ukraine groß gezogen schmecken sie nach nichts. Wie fast alle Gerichte eben, die ein Hausmann so kocht.

Und zum ersten Mal warte ich heute nicht auf den kleinen Gruß aus der Küche, sondern schicke einen großen hinein: Danke, es war ausreichend. Servus!

Mahlzeit (26k)

Foto: Rainer Sturm / pixelio.de