Logo Epikur - Journal für Gastrosophie
Zentrum für Gastrosophie Impressum

Epikur Journal 01/2018: Genuss und Disziplin: Epikur Journal 01/2018: Editorial

19.02.2018  

Liebe Leserinnen und Leser!

nach einer längeren Pause ist es uns eine große Freude, Ihnen hiermit die neue Ausgabe des EPIKUR-Journals zu präsentieren. Wir hoffen, Sie genießen die Lektüre der Texte, deren Verfassen und redaktionelle Bearbeitung ganz im Sinne von Karl Valentin - „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit" - nicht ohne ein gewisses Maß an Selbstdisziplin vonstattenging. Und damit sind wir auch schon beim Schwerpunktthema dieses EPIKUR-Journals, nämlich der ambivalenten und gar nicht so dichotomen Beziehung von Genuss und Disziplin. Unsere Autorinnen und Autoren spüren in den folgenden Artikeln genau diesem Spannungsverhältnis nach.

Eva-Maria Endres zeigt mit dem Blick auf die Antike, wie Selbstdisziplin und Askese dazu führen können, einen Maßstab für Genuss zu entwickeln, so dass dieser in einer qualitativen Form optimiert werden kann. Die „Sorge um sich selbst" ermögliche, so die Autorin, die Möglichkeit einer durch und durch menschlichen „Hingabe an die Welt" und deren Genüsse.

Die feinen Unterschiede zwischen einer von Verwertungs- und Effizienzlogiken getriebenen Selbstoptimierung und einer hedonistischen Selbstsorge beschreibt sodann Benjamin Berend. Folgt man der Analyse, versteht man, inwiefern epikureische „Passivitätskompetenz" und „Soziale Plastiken" uns Menschen genussfähig machen.

Überhaupt ist die Frage des persönlichen und des menschlichen Optimums im Leben eine knifflige Frage. Über die Gegenwart hinaus lässt Martin Beyer nun den Blick in die noch nicht eingetretene, jedoch auch nicht mehr undenkbare Zukunft schweifen. In dieser werden sich Glücks- und Genussempfindungen unter dem Vorzeichen transhumanistischer Praktiken einordnen lassen müssen. Ob Überwindung menschlicher Schwächen dabei zugleich eine Steigerung des guten Lebens bedeutet, ist nun jedoch keineswegs eindeutig.

Dass Perfektionsstreben dem Genuss nicht immer förderlich ist und gerade die Gemeinschaft von Menschen für das erfüllende Lustempfinden für den Menschen wohl unabdingbar ist, führt Lucas Alt aus. Gerade der Verzicht auf totale rationale Verständlichkeit sowie Gelassenheit gegenüber dem, was man nicht kontrollieren kann, eröffnen den Zugang zu an sich unzugänglichem Genuss.

Das Unzugängliche, das Irrationale und auch das Fiktive werden von Daniel Kofahl als Oasen und Ressourcen für eine Form des Genusses ins wissenschaftlich-literarische Spiel gebracht. Ein hedonistischer Genuss sollte nicht optimiert, sondern besser optimal sein und kann auch in ekstatische Entzückungszustände führen, die bekanntlich den Genießer oder die Genießenden aus der einen Realität hinaus in eine völlig andere führen sollen.

Den Abschluss dieser thematischen Reihe bildet sodann ein Aufsatz, der beschreibt, wie Ekstase und entrückte Entzückung von manch einem in Verzicht, Minimalismus und Askese gefunden werden. Rebekka Auer und Daniel Kofahl führen dies exemplarisch am Beispiel einer Performance der Künstlerin Marina Abramović vor, die 2002 zwölf Tage stumm bei ausschließlich Wasser auf öffentlicher Bühne ausharrte.

In einem für sich stehenden Beitrag führt Felicity Jensz ein in eine bundesrepublikanische Technikgeschichte der Fischstäbchen und Michael Brauer rezensiert abschließend Christian W. Denkers Buch „Vom Geist des Bauches".

Wir Herausgeber sowie das gesamte EPIKUR-Team wünschen Ihnen, dass Sie Anregungen und Erkenntnisse bei den hier versammelten Artikeln erhalten und würden uns freuen, wenn wir bei der ein oder anderen Gelegenheit darüber ins Gespräch und einen fruchtbaren Gedankenaustausch kommen würden.

Ihr Benjamin Berend und Ihr Daniel Kofahl

(c) Rita Newman