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HAIDEN Barbara: Neusiedler See kulinarisch. Die Speise- und Landkarte einer Region. Krenn Verlag, Wien 2009.

ENZINGER Katharina.   

Die Autorin dieses Koch- und Genussbuches, Barbara Haiden, wuchs auf einem kleinen Bauernhof im Mostviertel auf, wo ihr die Vertrautheit mit der Region Neusiedlersee, ihren Produkten und Rezepten, sprichwörtlich in die Wiege gelegt wurde. Lebensmittel und ihre vielfältige Verwendung prägen seit langem die berufliche Laufbahn der Gusto-Redakteurin, die unter anderem auch das Rezeptbuch „Österreichische Mostküche" im Krenn Verlag veröffentlichte.

Die Liebe zur Region und ihren kulinarischen Eigenheiten ist in Haidens Buch nicht zu übersehen. „Neusiedler See kulinarisch" hat mehr zu bieten als eine bloße Aneinanderreihung von althergebrachten Rezepten. Ein unterhalsamer, appetitanregender und nicht zuletzt höchst informativer Teil des handlichen Buches beschäftigt sich mit traditionellen Lebensmitteln, ihrem Ursprung und der Geschichte ihrer Kultivierung und Nutzung im Burgenland. Darunter finden sich Wels, Karpfen, Zander und Aal aus dem Neusiedler See, Tomaten, ganz regionaltypisch Paradeiser genannt, Paprika, Kürbis, hervorragender Wein und der einst berühmte Neusiedler Majoran. Darüberhinaus stellt Haiden herausragende Gastronomen, Landwirte, Winzer und Unternehmer rund um Seewinkel vor. Vorrangig haben diese eines gemein: die Hingabe, mit der sie sich ihren Leidenschaften widmen. Dazu gehört von der Kultivierung von 8000 Paradeisersorten, der Zucht des Mangalitza-Wollschweines, das wegen seiner positiven Auswirkungen auf die Gesundheit und nicht zuletzt wegen seines feinen Geschmackes geschätzt wird, bis hin zur fürstlichen Bewirtung der Gäste der traditionellen und beliebten Buschenschanken so einiges.

Bei all der noch so großzügigen und sympathischen Einleitung bleiben das Wesentliche an einem Kochbuch letzten Endes dennoch die Rezepte. Diese konnten leider viel weniger überzeugen als die einleitenden Seiten über die kulinarisch interessantesten Seiten des Burgenlandes. Richtig Appetit kam beim Studieren der Rezeptvorschläge nur eher selten auf. Dies mag an der weder allzu aufregenden noch zahlreichen Bebilderung oder an den nüchternen ausgeführten Anweisungen liegen, vermutlich aber doch daran, dass viele der Gerichte weder als bodenständig noch als Haute cuisine überzeugen können. Offensichtlich übertriebene Mengen an Gelee und Ingwer leisten nicht unbedingt einen wesentlichen Beitrag zu einer etwaigen Verfeinerung von traditionellen, einfachen, aber schmackhaften Gerichten wie Paradeisersalat oder gedünstetem Kraut. Darüberhinaus wage ich die traditionelle Verwurzelung von „Seewinkler Gazpacho", „Ingwer-Kraut", „Rote-Rüben-Avocado Salat mit Frühlingskräutern und Ingwer", „Parmesan-Gnocchi" und „Paradeiser-Marillen-Chutney"  - so geschmacklich überzeugend diese Kreationen auch sein mögen - in der Region Neusiedler See zu bezweifeln.

Neben Rezepten offensichtlich rezenteren Ursprungs wie den oben erwähnten Beispielen stehen allerdings durchaus reizvolle und augenscheinlich regionale Spezialitäten, die man nicht in jedem zwielichten Fusion-Beisel dieser Erde finden dürfte. Haiden stellt beispielsweise Zwiebel- und Paprikalékvár vor, eine süß-saure, marmeladenartige Konserve, die im pannonisch-ungarischen Grenzgebiet gerne zu verschiedensten Fleischgerichten gereicht wird.

Positiv fällt der Mut der Autorin zur wenig populären Innereienküche und zu Grammelknödel auf, die je nach Ernährungspräferenzen als deftige Gesundheitsbedrohung oder herzhafte Schmankerln zu bezeichnen sind. In der Seewinkler Variante stammt die schmackhafte Cholesterinbombe zumindest vom als gesund gepriesenen „Mangalitza-Fettschwein".

Nun aber zum wahrscheinlich spektakulärsten Rezept, das Seewinkel je hervorgebracht hat: Man nehme einen Bund vollreifer, marktfrischer Paradeiser, schneide den Strunk heraus und püriere sie. Man erhitze das Püree auf 50° - 60°, gieße das ganze in einen Teller und genieße die fertige Paradeisersuppe! Dies ist übrigens nebenbei eine ganz ausgezeichnete Möglichkeit zu testen, wie gut die Paradeiser tatsächlich sind.

Die vorgestellten Desserts sind österreichischen Naschkatzen in den meisten Fällen hinlänglich bekannt, cremige Sómloer Nockerl, samtige Nusspalatschinken und Co. können aber ohnehin nie oft genug auf den Tisch kommen. Die unbekannte „Kirschpizza", knusprig-süße gebackene Apfeltäschchen, „Balas'n" genannt und das verführerisch-sinnliche „Kirsch-Schokolade-Parfait mit Weincreme" machen nichtsdestotrotz Lust auf kulinarisch-kühne Entdeckungsreisen an den Neusiedler See.

 

HAIDEN Barbara: Neusiedler See kulinarisch. Die Speise- und Landkarte einer Region. Krenn Verlag, Wien 2009.