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EBENHÖH Klaus, POPP Wolfgang: Der Philosoph im Topf. Essende Denker. Denkende Esser. Residenz Verlag, St. Pölten und Salzburg 2008.

GSCHWANDTNER Harald.   

„Wie ihr es immer schiebt und wie ihr's immer dreht/Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral" - zwar sind uns die Verse erst von Bertolt Brecht, in der Dreigroschenoper, überliefert, doch schon früher war klar: Ohne die basalen nutritiven Voraussetzungen tut sich selbst der gutmütigste Moraltheologe, der brillanteste Denker schwer. Auch wenn mancher Philosoph die Opulenz so weit als möglich reduzierte und sich von profanen Genüssen frei zu machen suchte (Stichwort: Wittgenstein), so war doch immer klar, dass neben dem vollen auch der leere Bauch nicht gern studiert - das ewige Dilemma der Studentenschaft ...

Klaus Ebenhöh und Wolfgang Popp - beide keine studierten Philosophen, aber gestandene Journalisten - werfen in ihrem Buch „Der Philosoph im Topf. Essende Denker. Denkende Esser", erschienen im Residenz Verlag, einen Blick in die Küchen und auf die Teller großer abendländischer Denker von Pythagoras über Immanuel Kant bis hin zu Jean-Paul Sartre und bleiben dabei nicht bei der bloßen gastronomischen Analyse stecken. Denn jener Diskurs, über den hier auf weiten Strecken gehandelt wird, ist - auch wenn die beiden den Begriff konsequent vermeiden - der gastrosophische! Stets wird versucht, die jeweiligen überlieferten Essgewohnheiten von Montaigne, Kierkegaard und anderen in deren philosophisch-weltanschauliches Modell argumentativ zu integrieren. Dass manches metaphysische Konzept dabei auf ein eher geringes Maß an Komplexität reduziert wird, ist wohl dem Umfang sowie auch dem recht breiten Zielpublikum geschuldet: „So abstrakt und weltfremd seine Bücher auch sein mochten, unterm Strich ging es Kant um zwei ganz konkrete und praktische Ziele, nämlich die moralische und körperliche Gesundheit des Menschen." Es soll Wissenschaftler geben, die dieser Deutung des Königsbergers so nicht zustimmen würden.

Die Beispiele, die die beiden Autoren bieten, sind dabei jedoch stets unterhaltsam und mitunter erheiternd. Denn über die unausweichliche Verbindung von Geist und Körper, über die nutritiven Voraussetzungen des Denkens wusste schon Georg Christoph Lichtenberg zu berichten, dem ein eigenes Kapitel gewidmet ist: „Denn hätte die Natur nicht gewollt, dass der Kopf den Forderungen des Unterleibs Gehör geben sollte, was hätte sie nötig gehabt, den Kopf an den Unterleib anzuschließen." Gastrosophie mit einem Schuss plakativer Erotik - was will man mehr. Ein Feind des Leibes - im doppelten Sinne - war Lichtenberg also, im Gegensatz zu manchem Denkerkollegen, mit Sicherheit nicht; denn während er den vielfältigen kulinarischen (und anderen) Genüssen seiner Zeit durchaus nicht abgeneigt war, interpretierten andere die Nahrungsaufnahme als bloßes Mittel zum Zweck. Als extremes Beispiel wird Sartre genannt, dessen Körper als schlichtes Werkzeug zum Schreiben diente: „Ich weiß sehr gut, dass ich nur eine Maschine zum Büchermachen bin." Gesundheit spielte in dem Sinne keine Rolle. So weist denn auch das Rezept, das am Ende jenes Kapitels den Denker charakterisieren soll, bei Sartre zwar Aperitif, Rotwein, Weißwein und Schnaps auf; Salat sucht man jedoch vergebens.

Ein Fazit? Alles in allem ein Buch, das der gastrosophischen Sache nur dienlich sein kann, weil es den immanenten Zusammenhang von Ernährung und Denkleistung unterstreicht - aber auch zeigt, dass es ein prototypisches Philosophenessen, das zu gedanklichen Höchstleistungen treibt, nicht gibt. Je individuelle und nach heutigen Gesichtspunkten nur bedingt förderliche Nahrungsmittel sind in der kulinarischen Biographie der Philosophen (die Autoren lassen tatsächlich alle Denkerinnen außen vor!) zu finden, was ihnen - um mit Lichtenberg zu schließen - nicht immer gut bekam: „Sehr elend im Unterleib vermutlich wegen des gestrigen 2erlei Weins und vielen Biertrinkens."

 

EBENHÖH Klaus, POPP Wolfgang: Der Philosoph im Topf. Essende Denker. Denkende Esser. Residenz Verlag, St. Pölten und Salzburg 2008.