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GEITL Andreas: Genial bayerisch! Traditionelle Küche - einfach und raffiniert. Rosenheimer Verlagsanstalt, Rosenheim 2006, jetzt in der 2. Auflage.

KOLMER Franziska.   

Es kann kein Zufall sein, dass dieses Buch in Italien gedruckt wurde, denn in sehr vielen Rezepten drückt sich mehr italienischer denn bayerischer Geist aus: Espresso also - hier die vielen „Cappuccino"-Benennungen, die allerdings etwas anderes als die landläufige Meinung beinhalten: Kokos-Curry-Cappuccino, Sellerie-Birnen-Cappuccino, auch ein Kastanien-Cappuccino fehlt nicht, insgesamt gibt es ein halbes Dutzend.

Das Kochbuch hat uns interessiert, weil im November 2009 die „Regionale Küche" das Thema eines Kongresses des „Zentrums für Gastrosophie" ist. Es hat passenderweise grundsätzliche Fragen aufgeworfen: Was ist bayerisch an „Teespaghetti mit gebratenen Garnelen"? Die Zutaten sind es nicht, keine der Hauptzutaten gedeiht in Bayern, das Rezept scheint auch nicht gerade genuin bayerisch. Wird etwas bayerisch, weil es auf bayerischen Boden zubereitet wird? Wird es bayerisch, weil es ein Koch in/aus Bayern zubereitet und es der Bayerische Rundfunk sendet?

Viele dieser Rezepte werfen solche Fragen auf. Wie bayerisch ist ein Leberwurstgröstel mit Himmel und Erde oder ein Hirschspieß mit Kaffeesauce? Weiter gefragt: zeigt sich die im Titel beanspruchte Genialität darin, aus diversen nördlichen, aber vor allem südlichen Regionen Gerichte „einzubaiern", so eine „bayerische Bouillabaisse"? Weitere Beispiele im Buche ...

Der Titel jedenfalls mutet nicht sehr genial an, derlei kennt man schon von woanders her. Doch das spiegelt einen gewissen Grundzug: gewollt, schon fast maniriert genialisch oder zumindest originell zu sein, vielleicht in der Absicht, die bayerische Küche zu modernisieren. Das geschieht wesentlich durch die Übernahme österreichischer oder italienischer Rezepturen: italienisches Tartar mit bayerischem Knoblauchbrot. Warum aber muss so auf die Nationalitäten hingewiesen werden? Wohl weil man sich keiner mehr so sicher ist? Auf der anderen Seite sind kaum Gerichte zu finden, die man als ursprünglich (so es überhaupt so etwas gibt) „bayerisch" einordnen würde und die ihrerseits „modernisiert" wurden.

Das Buch ist nach Jahreszeiten geordnet und innerhalb der Jahreszeiten folgt es dem Menüschema. Die Rezepte sind klar nachvollziehbar, auch anwendbar, wenn manche freilich etwas gewöhnungsbedürftig anmuten und - bei der bayerischen Traditionalität, um nicht zu sagen Halsstarrigkeit, in culinariis - wohl keine breite Rezeption erfahren dürften. Die beigegebenen „Tipps" sind eher Serviervorschläge und manchmal Kommentare wie: „Tartar hat viele Liebhaber und macht gute Liebhaber ...". Die Zielgruppe ist nicht ganz klar. Traditionalisten dürften eher verschreckt werden, denn für sie findet sich wenig, für Liebhaber einer Nouvelle Cuisine sind viele Gerichte andererseits zu „geerdet". Wahrscheinlich kommen am ehesten Bayern in Frage, die vor allem in München und Umgebung eine gewisse Italianità vor sich hertragen. Für die hätte auf den Fotos statt der Paulaner-Biergläser auch einmal ein Weinglas neben dem gut gefüllten irdenen Teller stehen dürfen.

 

GEITL Andreas: Genial bayerisch! Traditionelle Küche - einfach und raffiniert.