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BREUNLICH Maria, HAAS Helga: Karpfen, Krebs und Kälbernes. Ein bürgerliches Kochbuch aus der Barockzeit. Mandelbaum Verlag, Wien 2004.

KOLMER Lothar.   

Die Autorinnen haben die 193 Rezepte für Suppen, Fleisch-, Fisch-, Krebs- und Mehlspeisen, Saucen, Pasteten eines handschriftlichen Kochbuchs aus dem Jahre 1769 transkribiert und einige davon für den heutigen Gebrauch adaptiert. Das Kochbuch soll einen Einblick in die Lebensweise der damals aufstrebenden Mittelschicht geben und damit auch die Wurzeln der österreichischen bürgerlichen Küche freilegen. Diese wird im 19. Jahrhundert zu einem festen, inhaltlich umrissenen Begriff und hat, wie die Autorinnen meinen, in nur wenig veränderter Form - durch die Globalisierung - bis heute Geltung.

Entsprechend der früheren Praxis fehlen auch in diesem Kochbuch genaue Angaben zu Mengen und Zubereitungsanweisungen; für 30 Gerichte sind diese erarbeitet worden. Vergleicht man etwa das Originalrezept einer französischen Suppe (S. 46.) mit der modernen Version (S. 47), wird deutlich, dass nach dem Originalrezept nur sehr erfahrene Köche/-innen arbeiten können. Für alle anderen wird das notwendige Trial-and-Error-Verfahren zu kaum befriedigenden Ergebnissen führen. Doch der Gebrauch der Originalrezepturen ist wohl gar nicht Sinn und Zweck dieses Werkes, das weit mehr noch eine Kulturgeschichte dieser Zeit bietet. Die Autorinnen geben einen detaillierten und sehr kundigen Überblick über Produkte, Zubereitungsweisen, Konsumgewohnheiten, über das soziale und kulturelle Leben im Wien des 18. Jahrhunderts. Man erhält einen Eindruck vom bürgerlichen (Küchen-)Leben, angefangen beim Einkauf, dem Angebot von Viktualien, deren Zubereitung in den rußigen Küchen mit offenem Feuer. Bilder und Stiche aus dem 18. Jahrhundert erhöhen das Vorstellungsvermögen. Ein Stichwortregister und ein ausführliches Glossar beschließen das Buch, es fehlen auch die Übersetzungshilfen für Deutschland und die Schweiz nicht. So liegt für ein historisch interessiertes Publikum ein schönes, gut gemachtes, illustratives Buch zur Küche des 18. Jahrhunderts vor.

Sichtlich war es kein Ziel, eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Edition vorzunehmen, das bleibt aber ein Desiderat. Denn erst wenn die vielen handgeschriebenen Kochbücher erfasst, bearbeitet, untereinander und mit den gedruckten Werken der Zeit verglichen sind, kommen wir wirklich in die historische Tiefe. Das ist freilich eine ganz andere Aufgabe für eine andere Zielgruppe.

 

BREUNLICH Maria, HAAS Helga: Karpfen, Krebs und Kälbernes. Ein bürgerliches Kochbuch aus der Barockzeit. Mandelbaum Verlag, Wien 2004.