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ROSENBERG Kerstin: Mein Ayurveda Wohlfühlprogramm. Typgerecht abnehmen, gesund und glücklich leben. Südwest Verlag, München 2013

Bernhard HUBER.   

Abnehmen - wohlfühlen - glücklich leben. In einem Dreischritt bringt die Ernährungsberaterin Kerstin Rosenberg das ayurvedische Potential eines gesunden und zufriedenen Alltags nahe. Schönheit, Verjüngung, Lebensfreude, Gesundheit, Erfüllung, Wohlstand und vieles andere mehr kann durch Ayurveda wiedergewonnen werden. „Mein Ayurveda Wohlfühlprogramm" bietet einen Begleiter von morgens bis abends, orientiert an den je individuellen Bedürfnissen und Voraussetzungen. Eine übersichtliche Gliederung bereitet den Inhalt gut auf, Theorie unterfüttert ausreichend die großgeschriebene Praxis, die mit therapeutischen Empfehlungen eine nach ayurvedischen Gesichtspunkten fehlgeleitete Lebensweise in vielen Bereichen wieder einrichten möchte. Unter dem Stichwort „5-Elemente-Ernährung" wird seit einiger Zeit geworben, das fernöstliche Wissen der TCM bzw. des Ayurveda in ein den Anforderungen des modernen westlichen Alltages entsprechendes Gewand zu hüllen. In diese Schiene reiht sich vorliegendes Buch ein.

Den Aufbau des Buches bilden gemäß ayurvedischer Lehre die drei Konstitutionstypen von Vata, Pitta und Kapha. Danach orientieren sich auch alle Behandlungs- wie Therapiestrategien, Ernährungsempfehlungen etc. Nach einem lebensnah gehaltenen Einführungsteil in die ayurvedische Heilkunst folgen konkrete Kapitel zur Veränderung des Alltags in Ernährung und Lebenshaltung gemäß ayurvedischen Lehrmeinungen. Tagesempfehlungen und Pläne machen die Anforderungen quantifizierbarer und lassen das Ausmaß realistischer erkennen. Tabellarisch konkret angegebene „Nahrungsmittel für den Konstitutionsausgleich" helfen im Bemühen um eine das eigene Dosha ausgleichende Ernährungsweise. In aufeinanderfolgenden Schritten kommt die Gestaltung von Fasten- und Aufbautagen zur Sprache, von „Reinigungstagen" mit ihren speziellen Fasten- und Erfrischungskuren (S. 114ff), wobei neben den Lebensmitteln, ihrer Zubereitung und Verzehrung ebenso therapeutische Maßnahmen wie „Schönheitsbäder", Yoga, (Öl-)Massage, Schwitzkuren, ayurvedische Kosmetika etc. zur Sprache kommen. Dem „ganzheitlichen", allerdings nicht exklusiven, Ansatz des Ayurveda, sind psychosomatische Aspekte geschuldet, etwa im reflexiven Bereich mit Malereien, Tagebuchaufzeichnungen oder Meditationen.

Ein Vorteil des Buches ist der differenzierte Blick auf Diät, ihre Rahmenbedingungen und Folgen. Hier hat die ayurvedische Gesundheitslehre einiges an Berücksichtigenswertem zu bieten. Zu kritisieren bleiben allerdings die überzogenen Harmonievorstellungen, dass etwa mit ayurvedischer Ernährung nicht nur körperliches sondern auch psychisches Wohlbefinden hervorgerufen werden könne (S. 138), bzw. dass das „Besondere" (S. 6) am Ayurveda seine Ganzheitlichkeit sei. Die angeführten „Gründe" (S. 28), warum man sich für ayurvedische Ernährung entscheiden sollte, enthalten ebenso nichts spezifisch Ayurvedisches, sondern können auch allgemein als Aufforderung zu bewusster Ernährung gesehen werden. Desgleichen vereinnahmte „Grundregeln" (S. 33f) der Ernährung sind nicht allein auf Ayurveda zu verengen, womit aber durchgehend geworben wird. Auch zeigen die grundsätzlich sehr nützlichen Prüftabellen, die der Profilierung der eigenen Persönlichkeit in ganzheitlicher Hinsicht dienen, mancherorts Leerstellen: Um etwa die persönlichen „Gunas-"Qualitäten herauszufinden, folglich die Art der mentalen Kräfte nach Ayurveda, werden neben durchaus vernünftigen auch vollständig unbrauchbare Testparameter angeführt. Wozu soll die Beantwortung der Frage nach eigener „Wahrhaftigkeit" bzw. „Reinheit" dienen?

Textlich gelingt es insbesondere, mit Informationstabellen die Blocksatzbausteine anzureichern und aufzulockern. Ob dies nun „Nahrungsmittel für den Konstitutionsausgleich" (S. 144) oder einzelne Interviews sind; die unterschiedlichen Textarten erleichtern die Beschäftigung mit den medizinischen Inhalten. Auch die Gliederung des Haupttextes selbst bietet mit „Raus aus der Heißhungerfalle" (S. 106) oder „Familientaugliche Rezepte" (S. 140) etc. interessante Schwerpunktkapitel. Allerdings stört die mancherorts bemühte Weichspülerrhetorik (S. 106f passim). Tautologische Endlosschleifen wie „Lebensfreude erhalten", „Überlastung meiden", „mit Energiereserven haushalten" etc. können schnell zu semantischen Nullstellen werden, die nur zu einer Erhöhung der Seitenzahl beitragen. Das letzte Drittel bietet jedenfalls einen ausführlichen Ayurveda-Rezeptteil mit brauchbarer Gewürzkunde, Zubereitungsempfehlungen, Zeithinweisen etc. Dieser Teil kann auch separat als Kochbuch verwendet werden.

Obzwar vom heutigen Lebensalltag der Menschen ausgegangen wird, bringt ein „Wohlfühlprogramm" nach Ayurveda dennoch eine latente Fortschrittskritik (S. 13). Der Ruf „Zurück zur Natur", die Forderung nach Erkenntnis des „wahren" Selbst sind als Paratext ständig mitzudenken. Der Arbeits- und Gesellschaftswelt von heute müsse mit ayurvedischen Kontrapunkten begegnet werden, und das hat nicht nur für die Ernährung zu gelten. Die Annahme eines daoistisch gedachten Naturzustandes als Idealzustand des heutigen Menschen prägt die Argumentation des Buches. Konsequent zu Ende gedacht scheint auch der Anspruch nach Herausfinden der „wahren" Bedürfnisse mit der Gefahr der Illusion von restloser Selbstbestimmung behaftet zu sein. „Wie gestalte ich meine Gesundheit" ist hierbei grundsätzlich als Frage ohne Nebensatz zu denken, die Reklusionsstrategien impliziert. Die Verherrlichung der Gesundheit ist natürlich nicht ein genuiner Zug des Ayurveda, scheint aber bei „Wohlfühlprogrammen", die über konventionelle Diäten hinausgehen, durchaus einer Erwähnung zu bedürfen. Wie gesellschaftsfähig es ist, bei einer leichten Suppe sitzend dem Gegenüber schadenfreudig zuzusehen, wie es eine Pizza „in sich hineinfutter" (S. 109), oder sich einer abendlichen Rotwein - Käse - Ciabatta - Runde zu enthalten, weil die Speisen Srota-blockierend bzw. Ama-fördernd und Brot überhaupt das „Grundübel unserer heutigen Ernährung" (S.99) bedeute, sei dahingestellt. Manches wirkt daher eher befremdlich und gibt den Eindruck einer Weganweisung für Erleuchtete. Unter dem Stichwort „Küche als Tempel" werden Reinigungsrituale, die Errichtung eines Altares, Gebete u. ä. durchgeführt. Das Bemühen der Autorin um besseres Küchenklima möchte ja durchaus honoriert werden, doch scheint es ein Hinwegphantasieren über Notwendigkeiten des Küchenalltags, gerade für beruflich gebundene und mit Familie. Es kann eben nicht immer alles wohlfühlerzeugend, stimmungsvoll etc. sein.

Diät ohne BMI bzw. Kalorienzählen zu versuchen und dabei einen Körper und Psyche einbindenden Weg zu gehen, wie es der Ayurveda anbietet, kann ein durchaus gangbarer Weg sein, mehr zu erreichen, als bloß abzunehmen. Dass allerdings damit ständig eine Chimäre von Schönheit, Klarheit, Reinheit, Ausdrucksstärke etc. bemüht wird, die sich ob ihrer unrealistischen Einschätzung und Überzogenheit als Trugbild herausstellen muss, bleibt zu kritisieren. Der Autorin ist es jedenfalls gelungen, sich in die Reihe der Ayurveda-Gesundheitsratgeber einzureihen und praxisnah den Veränderungswilligen fernöstliches Heil- und Lebenswissen verständlich nahezulegen. Ob man allerdings die notwendige Persistenz einer solchen in manchen Bereichen bestimmt radikalen Umstellung aufzubringen imstande ist, bedarf vorher der Analyse im eigenen Wohlfühltagebuch: „Nichts und niemand kann mich in meinem Prozess aufhalten, da ... " (S. 117).

RezAyurveda (78k)

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ROSENBERG Kerstin: Mein Ayurveda Wohlfühlprogramm. Typgerecht abnehmen, gesund und glücklich leben. Südwest Verlag, München 2013