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MAYER Elisabeth u. DIEWALD Michael: Die besten Wildfrucht-Rezepte. Süß & pikant. Leopold Stocker Verlag, Graz 2012

Katharina ZEPPEZAUER-WACHAUER.   

Wildfrüchte, das sind nicht nur Erd- und Himbeeren vom Wegesrand, das sind auch heutzutage weniger bekannte Leckereien wie Kiefernblüten, Bucheckerln oder Mispeln. Mit viel Sorgfalt scheint dieses liebevoll gestaltete Rezept- und Ratgeberbuch gemacht, das von Anfang bis Ende zudem praktisch gedacht und sinnvoll strukturiert wurde. Die Autoren orientieren sich am Jahreszyklus und zeigen Monat für Monat, was für Schätze in der Natur zu finden sind: Vom zeitigen Bärlauch über eine Reihe sommerlicher Beeren und Kirschen geht die Auswahl bis in den Herbst, wo Berberitzen und Vogelbeeren zum Verkochen einladen.

Besonders erwähnenswert sind die vielen eindringlichen Hinweise, die die unbedingt notwendige Sorgfalt beim Sammeln von Wildfrüchten betreffen: Sammeln Sie ausschließlich Wildfrüchte und Beeren, die Sie eindeutig identifizieren können!, Sammeln Sie nur so viel, wie Sie brauchen und verarbeiten können!, Sammeln Sie so schonend wie möglich! etc. Vergleiche mit Tollkirsche, Rossholler, Maiglöckchen etc. sollen die weniger Geübten ebenfalls darauf aufmerksam machen, dass der Wald eben kein Selbstbedienungsladen mit Supermarktcharakter ist, sondern mit Bedacht und dem nötigen Naturverständnis an das Sammeln herangegangen werden muss. Wenn dann aber die Benimmregeln für Wald und Feld erklärt sind, steht den Spaziergängen mit Korb und Kübel sowie dem anschließenden Verarbeiten nichts mehr im Wege.

Das erste Rezept zeigt schon, was beim Lesen des Buches erwartet werden kann: Ungewöhnliches, Ungekanntes, Delikates! Maroni-Marzipankonfekt, eine Köstlichkeit, die nach Angaben bzw. Wissen der Autoren nirgends gekauft werden kann und deshalb gleich noch wertvoller ist. Eine schöne, intelligente Idee folgt direkt im Anschluss: echte Schokoladenblätter, für die Frischlaub von ungiftigen Pflanzen mit interessanten Formen gesammelt (etwa Blätter von Eiche, Kirsche, Ahorn etc.) und zu Dekorationszwecken, beispielsweise für Torten oder Muffins, in Schokoladekuvertüre getaucht wird. Einfach, schnell gemacht, und doch um vieles feiner als Schokoblättchen aus der Packung. In dieselbe Kerbe schlägt der geschmackvolle Einfall, anstatt konventionellen Gedecks einfach große (ungiftige) Blätter zu verwenden (Große Klette, Hopfen, Weinlaub etc.), und diese mit allerhand dekorativen Zweigen und essbaren Blüten in ein „blühendes Buffet" zu verwandeln.

Die Herstellung von Sirup, Ölen, Teemischungen, Chutneys und Marmeladen dient dem Konservieren des Sammeljahres, ebenso das Einlegen in Essig, Rum oder Zuckersirup. Frische Rezepte hingegen sind für den täglichen Gebrauch bestimmt, mal aufwändiger und gut vorzubereiten, mal für zwischendurch als kreative Ergänzung zu jedem Menü.

Auf die botanischen Merkmale, Standortbestimmung und Sammeltipps einer jeden Wildfrucht folgen die Lieblingsrezepte der Autoren, schön bebildert (und zwar, darauf soll ausdrücklich hingewiesen werden, mit echten Fotos ohne Fooddesign und -styling!) und verständlich erklärt. Beispiele für die vielen Rezepte sind etwa: Maulbeer-Erdbeer-Salat mit Basilikum, Gebratene Steinpilze mit süß-sauren Brombeeren und Marillen-Wacholder-Kompott, Holunder-Glühwein, Gebratener Hokkaido- und Butternusskürbis mit Dirndlsauce , Maroni-Hagebutten-Tiramisu, Berberitzenhonig auf Polentaflammeri, Bucheckern-Lachs-Tascherln. Bereits die Bezeichnung vieler Rezepte und Zutaten weist darauf hin, dass der Leopold Stocker Verlag ein echter Österreicher ist (genauer: Graz), der sich nicht scheut, Austriazismen und dialektale Bezeichnungen zu verwenden, so etwa auch in dem von Franziska Kolmer besprochenen Getreide-Kochbuch „Dinkel, Einkorn, Amarant..." (s. Epikur Journal 01/2009). Das macht sicher auch den besonderen Charme aus, verlangt aber möglicherweise von seinen bundesdeutschen Lesern ein gewisses Maß an Offenheit (und evtl. auch den einen oder anderen Google-Klick).

Zusammenfassend kann immer nur in höchsten Tönen gelobt werden: Dieses Buch ist eines der seltenen Exemplare, bei denen von vorne bis hinten jede Seite Inspiration und Kochvergnügen bietet, ein Goldschatz im Bücherregal, und auch wenn zu viel des Lobes bekanntlich nicht gut ist (erst recht nicht im kritischen Genre der Rezension): eine absolute, hundertprozentige Lese- und Kaufempfehlung!

RezWildfruchtRezepte (29k)

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MAYER Elisabeth u. DIEWALD Michael: Die besten Wildfrucht-Rezepte. Süß & pikant. Leopold Stocker Verlag, Graz 2012